Der reiche Prasser

10.06.2019

Der reiche Prasser

Wir bewegen uns in Riesenschritten zurück zu den Zeiten, wo es keine so gute Idee war, den vorgegebenen Meinungskorridor zu verlassen. Damals warst du ruckzuck im Kerker oder auf dem Scheiterhaufen, wenn du die Unverschämtheit hattest, den Feudalherren ans Bein zu pinkeln. Heute sitzen die Feudalherren nicht mehr in Burgen und Schlössern, sondern in Parlamenten und Rathäusern, und verständige Richter*Innen belassen es (noch) dabei, den kleinen Seichern ein Stück vom Geldbetrag auf dem Konto abzuschneiden zu lassen anstatt gleich den ganzen Kopf ..

Einer wie ich, der schon mal 30 Tagessätze wegen Beleidigung abdrücken durfte, ohne überhaupt den Namen des zu Beleidigenden genannt zu haben (ein verständiger Leser wüsste, wer gemeint ist – Zitat Amtsgericht Rottweil) macht sich natürlich seine Gedanken, wie Information und Kommunikation in der bunten und globalisierten Zukunft aussehen könnte. Ich glaube, die Bildersprache wie im grauer Vorzeit könnte eine Lösung sein, um Geld und Kopf zu behalten. Allerdings braucht es dazu verständige Betrachter, die genau hinschauen können und die noch ganz im Kopf sind …

Das Bild oben heisst „Der reiche Prasser“ und wurde von Josef Danhauser 1836 gemalt. Es befindet sich im Museum Belvedere in Wien. Als ich es zum ersten Mal sah, dachte ich, dass Danhauser ein Hellseher gewesen sein muss, der unsere heutigen Zustände voraussehen konnte und dass es kein Zufall sein kann, dass der Meister genau diese Situation abgebildet hat und ich hatte den Eindruck, dass er etwas mitteilen möchte, was in Worte zu fassen seinerzeit keine so gute Idee gewesen wäre.

Heute, in Zeiten von smartphone und videoclips, wo alle 2 Sekunden das Bild wechselt, ist es leider aus der Mode gekommen, etwas länger und genauer hinzuschauen. Die neuen Feudalherren haben verständlicherweise auch gar kein Interesse daran, dass Leute genauer hinschauen und sich dann auch noch Gedanken darüber machen, was ihnen als Information vorgesetzt wird. Ich finde, das Bild eignet sich hervorragend dazu, die schöne alte Kunst des Hinsehens und Nachdenkens ein wenig zu trainieren, um ein verständiger Betrachter zu werden.

Die zentrale Figur in dem Bild ist der reiche Prasser. Er sitzt auf einer Art Thron mit hoher grüner Lehne und trinkt sein Glas mit einem trotzigen Gesichtsausdruck bis auf den letzten Tropfen aus. Mich erinnert er an ein fettes vollgefressenes Provinz-Bürgermeisterlein, dass mit 21 Mill. € Schulden wie zum Trotz auch noch die Innenstadt neu pflastern lässt.

Die Ananas mitten auf dem Tisch als Symbol für Luxus und Verschwendung könnte für ein mit Nahwärme beheiztes städtisches Gewächshaus stehen. Die Gemälde an der Wand hinter dem reichen Prasser verheissen nix Gutes. Sie sind in düsterer Stimmung gehalten zeigen Sturm und Unwetter. Eine Zukunft mit 21 Mill. € Schulden ist ja auch alles andere als rosig. Aber so was ficht einen reichen Prasser nicht an. Ihn interessiert nur der Moment und sein persönliches Wohlergehen.

An den zarten Händen und Fingern des reichen Prassers lässt sich erkennen, dass nicht er es war, der erwirtschaftet hat, was er verprasst. Dafür war wohl die Person mit den muskulösen Armen am rechten Rand zuständig. Sie scheint ihren Anteil am erwirtschafteten Luxus einzufordern, was aber vom reichen Prasser ignoriert und mit dem Austrinken des Glases beantwortet wird.

Die Dame in der schwarzen Robe hat die Brisanz der Situation erkannt und warnt den reichen Prasser. Offenbar arbeiten beide zusammen. Auch der Wachhund vorne unter dem Stuhl ist schon zur (Zwangs)Vollstreckung bereit. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, dass die Dame in der schwarzen Robe ihm signalisiert, dass er dem alten weissen Mann ein weiteres Stück vom Hosenbein abbeissen darf …

Der alte weisse Mann hat beim Erwirtschaften des Reichtums für Andere einige Blessuren davon getragen. Unter anderem ist sein Kopf verwundet, was daran liegen könnte, dass man es als alter weisser Mann im Kopf einfach nicht mehr aushält. Ich glaube aber, dass dieser Mann auf dem Bild nicht mehr ganz im Kopf ist, sonst würde er nicht von einem seelischen Krüppel wie einem reichen Prasser irgendetwas erbitten, denn wie heisst es so schön :

„Nicht frisst der Löwe, was der Hund übrig lässt, und stürbe er auch vor Hunger auf seinem Lager“
( Saadi v. Schiras )

Der Hintergrund des Mannes deutet Zustände wie im Paradies an. Die Sonne scheint, es hat Wasser, Wald und Holz, und es müsste doch mit dem Teufel zugehen, wenn der Mann sein Dasein nicht bestreiten könnte, ohne als Bittsteller aufzutreten. Es scheint ihm nicht bewusst zu sein, dass es mit der Prasserei schlagartig vorbei wäre, wenn alte weisse Männer nur noch für ihren eigenen Bedarf wirtschaften würden.

Auf der linken Seite befinden sich die jungen Personen und der Mensch mit Migrationshintergrund.
Dem Gitarrenspieler und der Dame im gelben Kleid scheint alles um sie herum buchstäblich am Arsch vorbei zu gehen. Ein moderner Maler würde sie wohl mit smartphone beim Anschauen von Musikvideos von Madonna oder Helene Fischer malen.

Als waschechter Sexist behaupte ich einfach mal, dass der Gitarrenspieler der Dame im gelben Kleid auf die Titten in den Ausschnitt glotzt. Wer möchte es ihm verdenken, denn der Ausschnitt auf dem Rücken lässt bereits tief blicken. An der Stelle muss ich den Herrn Danhauser ein wenig kritisieren, denn wenn er das linke Gemälde an der Wand gegenüber der Dame im gelben Kleid als Spiegel gestaltet hätte, würde dies eine Bereicherung seines Bildes darstellen.

Dann könnte man neben den Hupen der Dame auch ihre Augen sehen und relativ sicher sagen, ob sie mit dem Gitarrenspieler liebäugelt oder nicht doch zu dem dunkelhäutigen Mensch mit Migrationshintergrund hinüber schielt. Der junge schwarze Mann schaut aber zu dem alten weissen Mann und hat eindeutig einen schockierten Gesichtsausdruck.

Offenbar ist ihm genau in dem Moment klar geworden, was ihm eines Tages als alter schwarzer Mann blühen wird, nachdem er vom Mensch zur Person geworden ist und die Rolle des alten weissen Mannes übernommen hat. Der reiche Prasser wird sich die Ergebnisse der Arbeitskraft des schwarzen Mannes – symbolisiert durch die Flasche in seinen Händen – genauso einverleiben und bis auf den letzten Tropfen verprassen wie die des weissen Mannes.

Besonders interessant finde ich den Stuhl im Vordergrund des Bildes :

Vor dem Stuhl auf dem Tisch ist ein Teller. Es wurde also für jemand gedeckt, der gar nicht da ist. Der Zylinder des jungen Gitarrenspielers liegt mitten auf dem Stuhl. Im Vergleich zur überlangen Stuhllehne des reichen Prassers und der normalen Höhe der Lehne beim Stuhl der Frau mit der schwarzen Robe ist die Lehne dieses Stuhls extrem niedrig. Er ist eigentlich nur für ein Kleinkind geeignet.

Ich würde es mal so interpretieren : ein Teil des Kopfes des Gitarrenspielers blockiert das Vorhandensein von Nachwuchs. Vielleicht möchte er nicht Elter 2 des Kindes von Elter 1 im gelben Kleid werden. Vielleicht möchte er dies wie die sonstige Drecksarbeit auch den zukünftigen Personen überlassen. Vielleicht liegt es aber auch an der Dame, die sich nicht mit einer klampfenden Schwuchtel paaren möchte und ihren Hut deshalb in gehörigem Abstand zu dem seinen aufgehängt hat …

Du siehst, lieber Leser, Bildinterpretation ist eine spannende und kurzweilige Form von Gehirn-Jogging, bei der immer auch ein paar Fragen offen bleiben …

Nun ist es ja nicht so, dass nur die kleinen Seicher Angst vor Bestrafung haben, wenn sie öffentlich kundtun, was sie wirklich denken. Den modernen Feudalherren, die sich wählen lassen müssen, geht es genauso. Sie fürchten nicht so sehr den Entzug von Geld, sondern den Entzug von Wählerstimmen, was aber letztendlich in einem ziemlich direkten Zusammenhang steht …

Deshalb sind auch sie zur Bildsprache übergegangen. Zufall gibt es nicht, schon gar nicht in der modernen Information und Kommunikation. So wie in einem gemalten Bild hat auch bei einem gestellten Foto alles seinen tieferen Sinn : welche Figuren wo stehen, was sie mit Armen und Händen machen, welche Hautfarbe sie haben, welche Kleidung sie tragen, welche Fahne sich wo befindet, selbst jede Sonne(nblume) und jedes Pentagramm ist genau dort, wo es hin soll.

Nachdem du gerade an einem kleinen crashkurs in Bildbetrachtung und Bildinterpretation teilgenommen hast, kommen zum Schluss noch – sozusagen als Hausaufgabe bis zum nächsten Beitrag – zwei Bilder, an denen sich deine neu gelernten Fähigkeiten so richtig austoben können … :

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